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Vom ruhigen Örtchen zum Industriestandort

Bilten in der Gemeinde Glarus Nord hat im vergangenen Jahrhundert eine rasante Entwicklung genommen. Robert Grimm hat diese hautnah miterlebt und weiss zu berichten, wie aus dem kleinen Örtchen ein Industriestandort wurde.


Bilten. -  In das Glarnerland kam der im Emmental geborene Robert Grimm bereits als Kleinkind. Seine Eltern kauften das mit einer Metzgerei ausgestattete Hotel Ochsen in Niederurnen. „Zu dieser Zeit gab es noch keine Autobahn und der gesamte Verkehr floss durch den Ort. Dies war damals noch eine wichtige Durchgangsstrasse. In unserem Haus hat sich  entsprechend alles versammelt“, erinnert er sich. Der Ort Niederurnen war ebenfalls entsprechend belebt, wenn auch eher arm. Als dann der Krieg ausbrach und entsprechend viel Militär vor Ort war, „war durch Tausende von Soldaten noch mehr los“, berichtet der heute 95-Jährige.

„So begann das Dorf zu wachsen“
„Eigentlich wollte ich Ingenieur werden“, blickt er zurück. Der Krieg aber machte seinen Berufsplänen einen Strich durch die Rechnung. Als einer von drei Brüdern kam er durch den Krieg aber doch in die Situation, dass weder Vater und Brüder vor Ort waren und er die Entscheidungen für das Hotel treffen musste. So vereinbarte er, als gerade einmal volljähriger junger Mann, mit dem Militär, dass dieses die Metzgerei des Hauses nutzen konnte. Er selbst konnte später, als Geräte-Metzger mit kaufmännischer Ausbildung eine Anstellung finden, die ihm massgeblich am Wachstum des Ortes Bilten teilhaben liess. Bei der Firma Gebr. Kunz Fleisch- und Wurstproduktions AG wurde Robert Grimm zum Verkaufsleiter. So zog er mit seiner inzwischen verstorbenen Frau Sylvia nach Bilten, wo diese als Lehrerin tätig war. Aus der Ehe gingen zwei Söhne hervor. Mittlerweile ist Robert Grimm nicht nur vierfacher Grossvater, sondern kann auch voller Stolz auf zwei Urenkel blicken.

Gut erinnert er sich noch an das Ortsbild vor dem Einzug der Industrie: „Bilten war ein einfaches Bauerndorf“, beschreibt er die einstige idyllische Ruhe mit wenigen Einwohnern, aber auch wenigen Arbeitsplätzen. „Mit der Autobahn und der Ansiedlung der Grossmetzgerei Kunz veränderte sich vieles. Plötzlich begann das Dorf zu wachsen.“ Denn für den Betrieb wurden Mitarbeiter benötigt, was wiederum Menschen nach Bilten zog. So mussten entsprechende Infrastrukturen geschaffen werden, woran sich auch die Firma Kunz massgeblich beteiligte. „Um die zu Spitzenzeiten 500 Mitarbeitenden, die allein in Bilten ohne die Schweizweiten Aussendepots, unterzubringen, wurden Wohnliegenschaften und das einzige Hochhaus in Bilten gebaut“, blickt Robert Grimm zurück. „Wir hatten eine eigene Abteilung, die sich nur damit befasst hat.“ Die Firma betätigte sich ebenso als Sponsor für den seinerzeit noch aufgehenden und noch unentdeckten Stern am Radsporthimmel, Urs Freuler.

Bilten wird Industriestandort
„Wie haben das Dorf auf den Kopf gestellt und die Firma wurde zu einem echten volkswirtschaftlichen Faktor in der Schweizer Fleischwirtschaft und Bilten wurde Standort einer Fabrik von nationaler Grösse und Bedeutung“, fasst er die Entwicklung zusammen. „Die Firma hat das Dorf gemacht, wie man es heute kennt und kann als Motor für die Entwicklung bezeichnet werden.“ Dabei stiess man durchaus auch auf Skepsis in der Bevölkerung. „Nicht jeder hatte daran geglaubt, dass dies in Bilten funktionieren könnte und dies gut für den Ort sei. Die Menschen haben uns zunächst als Fremdkörper gesehen. Leicht hat man es uns nicht immer gemacht“, erinnert sich der frühere Verkaufsleiter.

Was mit der Grossmetzgerei begann, sollte bald schon auf andere Unternehmen ausstrahlen, die den Wert der guten Verkehrslage und Infrastrukturen in Bilten erkannten. „Neben zahlreichen anderen kam auch der Chocolatier Läderach nach Bilten, um die Fahrten nach Ennenda zu vermeiden, um nur ein Beispiel zu nennen.“ Wo also einst nur Wiesen und Felder das Bild bestimmten, entstanden grosse Lagerhallen und Logistikzentren. „Die Autobahn und die dadurch bedingte Ansiedlung der Industrie, wie es sie zu dieser Zeit nirgendwo im Glarnerland gab, haben Bilten zu dem gemacht, was es heute ist“, bringt es Robert Grimm auf den Punkt.

Es muss nicht immer mehr sein
Das Unternehmen belieferte später nahezu alle namhaften Detaillisten des Landes mit seinen Spezialitäten, zu denen unter anderem die „Glarner Chämi-Salami“ gehörte. Die Grosmetzgerei Kunz gibt es heute zwar nicht mehr und die früheren Firmengebäude beherbergen längst andere Unternehmen; die Entwicklung, welche das Unternehmen in Bilten angestossen hat, trägt bis heute Früchte. „Ich sehe die Entwicklung, die Bilten genommen hat, absolut positiv“, fasst er zusammen. Der Blick auf das gesamte Land und die Welt aber stimmt ihn nicht immer so heiter. So warnt er ganz grundsätzlich vor einer „Immer-Mehr-Mentalität in allen Lebensbereichen.“

„Ich weiss, dass man sagt „Stillstand ist Rückgang“. Aber ich frage mich doch, ob es nötig ist, dass wir immer weiter wachsen und frage mich, ob wir das gesellschaftlich, wirtschaftlich und verkehrstechnisch bewältigen können. Zudem haben wir in der heutigen, hochautomatisierten Zeit  nicht mehr Unternehmen mit vielen Angestellten, sondern viel  Boden der benötigt wird und dabei nur wenige Arbeitsplätze, die geschaffen werden.“