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Stich für Stich zum Kunstwerk

Am Samstag wird Brigitte Lüthi in Ebnat-Kappel anlässlich des Welt-Quilt-Tages ihre Türen für eine Quilt-Ausstellung öffnen. Gemeinsam mit ihrer Freundin Lilo Jäger zeigt sie Arbeiten von über 30 Jahren passsionierter Handarbeit.

Ebnat-Kappel. «Ich bin immer auf der Suche nach neuem Stoff», kann Brigitte Lüthi sagen, ohne dabei im Entferntesten in den Verdacht des Drogenkonsums zu geraten. Selbst dann, wenn die pensionierte Handarbeitslehrerin zugibt, sich im «Unruhestand» zu befinden und die Finger einfach nicht still halten zu können. Ihre Leidenshaft ist das Quilten. Sie fertigt kreative Steppdecken aus den klassischen drei Lagen: Einer Deckschicht, die zumeist aus aufwendig aneinandergenähten, vielen kleinen Stoffstücken und Nähten besteht, die imposante Muster bilden, sowie einer Füllung und einer Rückseite.

Gemeinsam mit ihrer Freundin Lilo Jäger aus Flawil, die ebenfalls Handarbeitslehrerin und dem Quilten verfallen ist, hat sie eine Ausstellung organisiert. Gezeigt wird anlässlich des Welt-Quilt-Tages am 15. Juni ein Querschnitt des Schaffens der beiden Frauen – von der ersten Patchwork-Decke über nahezu monumentale Arbeiten wie Bettüberwürfen, an denen drei Jahre lang gearbeitet wurde, bis hin zu Wandbildern, Grusskarten und Handtaschen.

Einzelstücke voller Emotionen
Die Muster, Variationen und Farbenpracht sind vielseitig und ein Abbild der Kreativität der beiden Frauen. Doch es gibt noch mindestens zwei weitere gute Gründe, warum diese Ausstellung nicht Gefahr läuft, langweilig zu sein: Brigitte Lüthi weiss zu jedem Werk, genauso wie zur Geschichte des Quiltens an sich, Spannendes zu erzählen. «In jedem Quilt stecken viele Emotionen», erklärt sie. So sind viele der ausgestellten Quilts Wettbewerbsarbeiten oder im Rahmen von internationalen Zusammenarbeiten entstanden und wurden schon auf Ausstellungen in der ganzen Welt gezeigt. Denn das Quilten ist eine regelrechte Handarbeitsbewegung, die in Zeiten des Internets global vernetzt ist. Unter anderem durch die Beteiligung an der Plattform «quilt around the world» werden hier nicht nur Stoffe, Muster und Ideen ausgetauscht, sondern auch ganze Quilt-Stücke. Diese werden aus allen Teilen der Welt eingeschickt, gemischt und neu an die Teilnehmer verteilt, die daraus dann grosse Quilts mit internationaler Beteiligung fertigen.

So gut vernetzt war die Quilt-Gemeinde aber noch nicht immer, wie Brigitte Lüthi weiss. «Als ich Mitte der 1970er Jahre mit dem Patchwork angefangen habe, gab es in Europa noch keine grosse Szene», blickt sie zurück. Ihre Freundin hatte aus einem Amerika-Urlaub die Inspiration mitgebracht, wo unter anderem die Amish berühmt für ihre Quilts sind. Doch mangelte es den beiden Frauen in der Schweiz zunächst an weiteren Informationen. So bestellten sie die entsprechende Literatur ebenfalls in den USA und machten sich ans Werk. Mittlerweile hat das Quilten, das ursprünglich aus dem Orient kommt und mit den Kreuzrittern nach Europa kam, eine Renaissance erlebt. Die einst aus dem Mangel an grossen Stoffbahnen entstandene Technik, bei der in früheren Zeiten die wärmedämmende Füllung noch aus Heu, Zeitungen und Wolle bestand, hat einen erneuten Siegeszug angetreten und die Quilt-Gemeinde ist weltweit vernetzt. Wie Brigitte Lüthi erzählen kann, sind hier auch schon manche langjährige Freundschaften entstanden, die beispielsweise aus ihren Quilt-Reisen in die USA resultierten.

Selber ausprobieren erwünscht
Unter dem Thema «Hexagon» werden zur Ausstellung in den Räumen der ehemaligen Geschenke-Boutique, die eigentlich zur Neu-Vermietung bereitstehen, nicht nur ausgesprochen schöne Arbeiten gezeigt. Auch die Besucher sind eingeladen, an einem kleinen Workshop teilzunehmen und sich im Quilten zu erproben. Doch Achtung: Diese vielseitige Technik scheint äusserst ansteckend zu sein. Brigitte Lüthi, die unter anderem auch in der Quiltgruppe Wattwil engagiert mitwirkt, bietet selbst auch Kurse an. Wer sich für eine Teilnahme interessiert, kann also bei der Ausstellung, die eigentlich nur einen Tag lang geplant war und nun bereits im Vorfeld auf mindestens eine Woche ausgedehnt wurde, schon einmal schnuppern.

Dann wird Brigitte Lüthi auch ihr Atelier öffnen und Einblicke in ihre reichhaltige Erfahrung, sowie in ihre Stoff- und Fadensammlung gewähren. «Ich schmeisse nichts weg», erzählt sie, sei doch schliesslich jedes noch so kleine Stoffstück ein potentieller Bestandteil des nächsten Quilts. Neben dem Quilten ist Brigitte Lüthi ausserdem nicht nur berufsbedingt in fast jeder anderen Handarbeits-Disziplin begeistert dabei. Sie schneidert ihre Kleidung selbst, strickt gerne und gestaltet ihren eigenen Schmuck.