Skip to main content
Anzeige

Schritt für Schritt vorangegangen

Ferdinand Wunderlin aus Netstal steuert derzeit gut aufgestellt auf seinen 100. Geburtstag zu. Am 27. Mai wird er dieses besondere Jubiläum feiern. Wenn er zurückblickt, kann er sich als echter Glückspilz beschreiben.

Netstal. „Dass ich einmal 100 Jahre alt werden könnte, ist mir nie in den Sinn gekommen“, beschreibt Ferdinand Wunderlin. Ihm ist es wie den meisten Menschen ergangen. Und dennoch wird er in wenigen Wochen genau diesen aussergewöhnlichen Jahrestag feiern können. „Wenn man so alt werden darf, muss man das geniessen“, offenbart er seine positive Lebenseinstellung. Ein Blick auf seine Lebensgeschichte offenbart die Erfahrungen, auf den sich sein guter Rat an die Nachfolgenden Generationen stützt.

Ein Glückspilz
„Ich habe grosses Glück gehabt, denn ich bin nie wirklich krank gewesen“, erzählt der rüstige Senior, der eine Alterswohnung im Alterswohnheim Bruggli in Netstal bewohnt. „Ich habe immer normal gelebt, immer gearbeitet und bin den Notwendigkeiten gefolgt.“

Dies bezog sich nicht zuletzt auf seinen beruflichen Werdegang. Als damals gerade mal 15-Jähriger hatte er 1930 die Chance ergriffen und sich um eine Stelle in der Papierfabrik Netstal beworben. „Ich war noch sehr jung, aber ich habe erfahren, dass ein Posten an einer Maschine frei werden sollte“, blickt er zurück. „Dort sollte ich dann mit den Jahren gross werden.“ Gross wurde er nicht nur in Bezug auf das Alter, sondern auch innerhalb der Fabrik. Durch stetige Weiterbildungen stieg er mit den Jahren Schritt für Schritt auf und wurde schliesslich Betriebsleiter in der oberen Papierfabrik. Auch wenn er noch zu seiner Zeit merkte, wie hier der Konkurrenzdruck in der Branche immer grösser wurde, hat er die Arbeit immer als sehr befriedigend empfunden. „Ich habe meine Chancen genutzt und bin dankbar dafür. Meine Arbeit und der Kontakt mit den Mitarbeitern hat mir viel Freude gemacht. Das habe ich immer als sehr grosses Glück empfunden.“

In der Papierfabrik arbeitete er bis zu seinem Renteneintritt. Ein von stetig wechselnden Stellungen geprägtes Arbeitsleben wie es heute modern ist, kennt Wunderlin nicht. „Darum beneide ich die Jungen auch nicht“, erklärt er. Denn für ihn war Beständigkeit immer etwas Wichtiges. So verbrachte er sein Leben als eines von zehn Geschwistern in Netstal. Nur einige Jahre als Kind, in denen er zu seinem Grossvater nach Schwanden geholt und von diesem bis zum Schuleintritt aufgezogen wurde, verliess er seinen Heimatort.

Aktiv und interessiert
Ebenso beschreibt er ein grosses Glück mit seiner Familie. Als in mehreren Vereinen aktiver junger Mann lernte er seine zwischenzeitlich verstorbene Frau kennen. „Das war im Gesangsverein – da habe ich sie mir geschnappt“, erzählt er, dass er auch hier seine Chance zu nutzen wusste. Gemeinsam bezogen sie ein Haus in Netstal und hatten zwei Söhne, von denen einer nach Thailand auswanderte und dort ebenfalls bereits verstorben ist. Sein zweiter Sohn lebt im Tessin. Zudem ist Wunderlin Grossvater von drei Enkeltöchtern, die ihm mit grossem Stolz erfüllen, wie er erzählt.

Seine rege Tätigkeit in Vereinen, wo er unter anderem auch Jugendriegenleiter war, hallt bis heute nach. Zwar geht er im hohen Alter seine grosse Leidenschaft, dem Bergsteigen, nicht mehr nach, doch ist er nach wie vor mannigfaltig  interessiert und beteiligt sich hier und da noch an gesellschaftlichen Anlässen, beispielsweise beim Treffen der Glarner Turnveteranen. Aber mehrheitlich verfolgt er das Geschehen aus der hinteren Reihe, denn: „Jetzt sind andere dran und ich lasse ihnen die Freude. Ich habe so viel erlebt und keine Wünsche mehr, aber wenn etwas Freude macht, bin ich natürlich gern dabei“, erklärt er.  

Fokus aufs Wesentliche
„Es kam alles, wie es kommen musste. Ich habe meine Sachen erledigt und bin auf diese Weise vorangekommen, soweit ich es wollte. Mehr braucht es nicht und ich wollte auch nie etwas anderes“, erklärt Wunderlin. Dementsprechend rät er den jüngeren Menschen auch, sich immer zuerst auf das Wesentliche zu konzentrieren und immer erst eine Basis mit einer Berufsausbildung zu schaffen, auf die man immer wieder zurückgreifen kann. „Die jungen Leute haben heute ganz andere Ideen als wir damals. Da bin ich oft erstaunt. Aber ich kann allen nur sagen, immer nur einen Schritt nach dem anderen zu machen und Erfahrungen und Routine zu sammeln.“