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Outdoor-Mathematik vor der Haustür

Mathematik im Alltag anzuwenden ist das Ziel der Lernheftreihe «Mathematische Lernplätze». In Wattwil und Lichtensteig erkunden in dieser Woche Studierende der Pädagogischen Hochschule St. Gallen geeignete «MathPlätze» und werden zu diesen entsprechende Aufgaben formulieren.

Wattwil/Lichtensteig. Seit 2010 entsteht jährlich für eine andere Ostschweizer Ortschaft ein Heft mit Mathematikaufgaben, die in der Regel nur vor Ort, an den im Heft aufgeführten Plätzen, gelöst werden können. Erarbeitet werden die Aufgaben in einer besonderen Unterrichtswoche im Studiengang Sekundarstufe I der Pädagogischen Hochschule St. Gallen (PHSG), von angehenden Oberstufenlehrerinnen und -lehrern. Seit Dienstag sind die künftigen Pädagogen zur Erstellung des Lernhefts «Mathematische Lernplätze in Wattwil und Lichtensteig» in den beiden Gemeinden des mittleren Toggenburgs unterwegs. Insgesamt 30 Studierenden werden hier zehn so genannte MathPlätze eruieren und sich pro Platz jeweils zwölf praktische und handfeste Aufgaben der unterschiedlichsten Schwierigkeitsstufen dazu ersinnen.

Überall kann ein MathPlatz sein
Dass dies nicht unbedingt einfach ist, erklärt Geri Rüegg, Dozent für Fachdidaktik Mathematik an der PHSG. «Es ist nicht leicht, zum einen kreativ zu sein und zum anderen eine Aufgabe so zu formulieren, dass jeder das Gleiche darunter versteht», fasst er einen Teil der Herausforderungen zusammen. Dabei sollen in den Aufgaben ferner die drei Handlungsaspekte aus dem Lehrplan 21 «Operieren und Benennen», «Mathematisieren und Darstellen» sowie «Erforschen und Argumentieren» berücksichtigt werden. Auf diese Weise sollen die angestrebte anwendungsbezogene Kompetenzorientierung und das Erarbeiten von Lösungsstrategien in Aufgaben umgemünzt werden.

Doch bevor entsprechende Aufgaben getextet werden konnten, galt es, die geeigneten Plätze zu finden. So war nicht nur darauf zu achten, dass die MathPlätze so ausgewählt wurden, dass die Schüler dort später beim Lösen niemanden stören, sondern auch darauf, dass sie sich selbst keinen Gefahren aussetzen. «Wichtig ist, dass Plätze ausgewählt werden, von denen man annehmen kann, dass sie auch in einigen Jahren noch Bestand haben», so Geri Rüegg.

Diese und weitere Aspekte im Hinterkopf, ging es am Dienstag auf eine erste Erkundungstour, die bereits viele Möglichkeiten aufzeigte. So könnte beispielsweise das Bahnhofsgebäude in Wattwil genauso geeignet sein, um geometrische Formen zu berechnen, wie der unweit entfernte Kreisverkehr für eine statistische Erhebung und die spätere Umrechnung und Darstellung der Ergebnisse als MathPlatz dienen könnte.

Auch ein Spielplatz wie jener beim Thurpark kann wunderbar zum MathPlatz gemacht werden. Schätzungen zur Anzahl der Kieselsteine durch eine Überprüfung anhand einer kleinflächigen Auszählung und Hochrechnung auf die Gesamtfläche wären eine denkbare Aufgabe, die klein beginnt und dann höhere Schwierigkeitsgrade zulässt. Zudem würden sich hier gute Möglichkeiten für fächerübergreifende Aufgabenstellungen ergeben. Die Kantonsschule und die dortige Sonnenuhr bieten ebenfalls unzählige Möglichkeiten, für spannende Aufgaben. «Schon eine auf den ersten Blick einfache Säule kann sehr viel hergeben», ermunterte Geri Rüegg die Studierenden.

Mathe kann Spass machen
Neben dem Lernziel für die angehenden Lehrer selbst, springen bei dem Projekt noch zwei weitere, positive Nebeneffekte als handfester Mehrwert heraus, erklärt Geri Rüegg. Mit den Heften erhalten die Schülerinnen und Schüler Übungsaufgaben, die ihnen direkt vor Ort zeigen, dass Mathematik überall ist und zudem auch noch Spass machen kann. «Indem die Klassen zur Lösung der Aufgaben hinaus müssen, ist ausserdem Abwechslung und ein gewisser sozialer Faktor gegeben», weiss er um die Vorteile. «Wichtig ist vor allem, dass die Schüler später einen Sinn in den Aufgaben sehen.»

Aber auch die Lehrerschaft kann von den regionalisierten Lernheften profitieren. Durch ihren Aufbau sind sie geeignet, um ganz punktuell im Mathematikunterricht oder als Mittel der Begabungsförderung eingesetzt zu werden. Sie bieten Beispiel für selbstgesteuertes, entdeckendes und forschendes Lernen und liefern Ansätze für den Einstieg in ein neues Thema. Sie können dem Repetieren dienen oder sogar den Stoff für eine ganze Projektwoche liefern.

Welche MathPlätze schliesslich im mittlerweile sechsten Lernheft der Reihe einen Platz finden werden, wird man spätestens im August erfahren. Dann wird «Mathematische Lernplätze in Wattwil und Lichtensteig» Vernissage feiern und schon im nächsten Schuljahr eingesetzt werden können.