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Historisch wertvolles Gebäude

In Wildhaus steht das aus dem 15. Jahrhundert stammende Geburtshaus des berühmten Reformators Huldrych Zwingli. Heute ist es pro Jahr Anziehungspunkt für mehr als 3000 Besucher von nah und fern.

Wildhaus. In Wildhaus steht ein ganz besonderes Stück Schweizer Religions- und Baugeschichte. Unweit der Hauptstrasse zwischen Alt St.Johann und Buchs liegt im Ortsteil Lisighaus, an der Ecke Rösliwies und Munzenrietstrasse, das Geburtshaus von Huldrych Zwingli.

Am Neujahrsmorgen 1484 erblickte in Wildhaus der bekannte Reformator Huldrych Zwingli das Licht der Welt. Nachdem er bereits als 22-jähriger (in Konstanz) die Priesterweihe empfing, wirkte er im Kanton Glarus und war nebenbei Feldprediger der Glarner Truppen. Er konnte sich mit dem Söldnerleben der Schweizer allerdings nicht anfreunden und wirkte anschliessend in Einsiedeln und von 1519 bis zu seinem Tod im Grossmünster in Zürich. Die pfarramtliche Dienste in Zürich waren für Zwinglis Werdegang zum Reformator von grösster Bedeutung. Inmitten seines Wirkens als katholischer Geistlicher legte er den Grundstein zur evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz.

Typisches Tätschhaus
Das Zwingli Geburtshaus aus dem 15. Jahrhundert gehört zu den ältesten erhaltenen Bauernhäuser der Schweiz und ist ein typisches Tätschhaus. Im heutigen Strassenbild von Wildhaus fällt es auf und sticht den Betrachter ins Auge. Ursprünglich lag das Haus umgeben von ähnlichen Bauten, welche mittlerweile dem Lauf der Zeit zum Opfer gefallen sind. Der Grundriss des Zwingli-Geburtshauses ist fast quadratisch und bis heute in dieser Form erhalten geblieben. Die Vorderfront des Gebäudes erscheint in einer alten dunklen Blockfassade. Die übrigen drei Aussenwände sind geschindelt. So erscheint die Front herzig und offen.

Drei statt Fünf
Ein sogenannter fünfteiliger Fensterwagen charakterisiert den Eingangsbereich. Um 1500 herum waren dies aber nur drei Fenster. Erst im 19. Jahrhundert, als das Zwingli-Haus als Schule genutzt wurde, wurde die Front mit heute fünf Fenstern umgebaut. Die beiden Fenster an der linken Seite neben der Eingangstür wurden erst viel später ausgebrochen. In der ursprünglichen Form waren dies eher zwei kleine Luken.

Auffällig ist auch das Dach des Gebäudes. Es hat einen sehr flachen Winkel. Ausserdem wird es von Gesteinsbrocken, welche auch von unter sichtbar sind, beschwert. Das „Schwardach“ hat keine Eisennägel, waren diese zur Bauzeit des Hauses doch noch kostspielige Raritäten. Einzig die Konstruktion aus Brettschindeln, Querlattungen und eben der beschwerenden Steine stabilisiert das verhältnismässig weit hervorstehende Dach. Darunter beschattet es einen Firstständer mit Fusshölzern, das sogenannte Heidenkreuz.

Über eine vierstufige Treppe erreicht man die Eingangstür, da das Gebäude auf einer ca. 50 Zentimeter hohen Schwelle ruht. Diese liegt ihrerseits auf einen ausgleichenden Gesteinsockel auf. Der Eingangsbereich wirkt für so ein altes Haus recht gross. Doch die Türen zu den weiteren Räumen vermitteln ein anderes Bild. Wie kleine enge Luken ducken sie sich in die Wand. Insgesamt aber sind die Räume grosszügig und hoch. „Gemessen an der Bauzeit des Hauses verfügt dieses über eine unüblich hohe Raumhöhe“, erläutert Museumsführerin Silvia Forrer. Im Untergeschoss gibt es noch bauliche Elemente, die sich noch in ihrem Urzustand befinden. Augenfällig ist hier die gotisch anmutende Diele über der Wohnstube. Sie besteht aus Balken in quadratischem Schnitt. Zwischen die Balken sind einseitig gekämmte Bretter eingeschoben. An dieser Decke lässt sich erkennen, neben dem Wissen, dass das Gebäude von einer Ammansfamilie bewohnt war, dass das Haus zu einen der besseren im Umfeld gehörte. Die spätgotische Bohlenbalkendecke mit Mittelrosetten erscheint imposant. Daraus resultiert auch die recht hohe Deckenhöhe. Die anderen Decken und Böden sind nach und nach ersetzt wurden. Eine Besonderheit des Zwingli-Geburtshauses ist, wie auch bei anderen alten Toggenburger Häusern, dass die Wände gestrickt sind, erläutert Silvia Forrer.

Hauptaufenthalt Küche
Auch die Wände im Eingangsbereiches sind noch so erhalten, wie sie einst gebaut wurden. Aber auch im Erdgeschoss gab es tiefgreifende Veränderungen. Der Treppenaufgang in der grossen Stube etwa verlief zu Zwinglis Zeiten vom Flur her nach oben. Ebenfalls auffällig ist der grosse Lehmofen in der Stube. „Dies ist ein ganz typisches Toggenburger Element“, erklärt Silvia Forrer. Dieser wurde im Originalzustand wieder aufgebaut. Ausserdem schmücken zwei spätgotische Truhen die Stube. „Das Mobiliar wurde fast ausschliesslich vom Schweizerischen Landesmuseum zur Verfügung gestellt“, weiss Silvia Forrer. Die Küche ist geprägt von einem gemauerten Herd und einem grossen Rauchfang, dem Rutenkamin, darüber. „Die Küche war wahrscheinlich noch grösser und der Hauptaufenthaltsraum der Familie“, so Silvia Forrer. Das Fenster ist hier eher eine kleine Luke, auch um Auswirkungen der widrigen Witterung möglichst aus den Räumen zu halten. Der Boden besteht aus einem Mörtelbett mit Steinen. Auffällig ist hier die erst später eingesetzte gestrickte Wand. Hinter der Küche befindet sich ein kleiner dunkler Raum, welcher eine Brück zum damaligen Stall darstellt, erklärt Silvia Forrer.

Oben befinden sich drei Schlafräume, deren Wände und Böden in der heutigen Ausführung aber neueren Datums sind. Die Trennwände der zwischen den Räumen zeigt liegende Bretter, die in seitliche Hölzer und der Türrahmung eingenutet sind. Die Böden in den Schlafkammern sind federnde Riemenböden und die Wände sind unverkleidet.


Geschichte des Hauses
Das Zwingli-Haus entspricht heute nur noch zum Teil dem Bau des 15. Jahrhunderts. Im Laufe der Jahrhunderte gab es viele bauliche Veränderungen. Die Ansiedelung der Schule etwa zog Änderungen an der Front des Hauses nach sich. So hat sich die Fenstergrösse und Anzahl in dieser Zeit verändert. Aus kleinen Luken wurden ganze Fensterfronten. Nach der Nutzung als Schule und der vorübergehenden Wohnunterkunft für verschiedene Familien, wie z.B. Joachim Forrer, war das Gebäude in einem sehr schlechten baulichen Zustand und stand dem Abriss nahe. Der Zürcher Zwingli-Verein kaufte 1848 das Gebäude von der Primarschulgemeinde Wildhaus und retteten das Haus vor dem Verfall. Ende des 19. Jahrhunderts, nach einigem hin und her, kauften die evangelischen Kantonalkirchen Zürich, Thurgau, Appenzell Ausserrhoden und Graubünden das Zwingli-Geburtshaus und renovierten dies 1897. Heute ist das Haus zur Besichtigung offen.