Weesen. – Am 19. Mai 1930 in Büren, Nidwalden, geboren, sollte der Lebensweg von Margrit Büchler zunächst ins Glarnerland und dann nach Weesen führen. Hier lebt sie bis heute und fand im Wohn- und Pflegezentrum Wismetpark einen Ort, an dem sie sich wohl fühlt und das Leben geniessen kann. So selbstverständlich sich dies anhören mag, ist es im Fall der heute 84-Jährigen nicht immer gewesen. Denn ihr Leben war geprägt durch Verluste und Schicksalsschläge, sowie durch eine Fremdbestimmung, die für junge Frauen heute unvorstellbar ist. Die Geschichte von Margrit Büchler verdeutlicht, wie viel sich über die Jahrzehnte verändert hat.
Erwachsenwerden mit 13
Den ersten tiefen Einschnitt erlebte Büchler bereits als vierjähriges Mädchen. Ihre Mutter verstarb bei der Geburt des achten Kindes und mit ihr das Baby. Dies sollte im Leben der Familie vieles ändern. Der Vater war nun allein mit sieben Kindern und einem Landwirtschaftsbetrieb und musste sich eine neue Frau suchen. Einer seiner Töchter aus erster Ehe wurde vom kinderlosen Onkel adoptiert. Die anderen blieben beim Vater. Für Margrit Büchler bedeutete dies, dass sie schnell erwachsen werden musste. Bereits mit 13 musste sie das Elternhaus verlassen und eine Hauswirtschafts-Stelle antreten. Ein grosser Schritt, „denn man konnte in dem Alter noch nichts, nicht einmal kochen“, erinnert sie sich.
So ging es für sie schon in jungen Jahren von Anstellung zu Anstellung. „Als ich 22 war hatte ich dann eine Stelle in einem Doktoren-Haushalt, wo ich 30 Franken im Monat verdient habe. Das war bereits eine sehr gut bezahlte Anstellung für die damalige Zeit. Aber ich studiere immer noch, wie man das mit dem Geld alles geschafft hat.“ Finanziell sollte es auch in späteren Jahren zunächst nicht viel besser für sie aussehen. „Es waren schwierige Zeiten und ohne meine Sparsamkeit hätten wir vieles nicht erreicht“, fasst sie zusammen.
Leid und Trost
Zu Beginn der 1950er Jahren hatte sie in Flawil eine Anstellung als Servicekraft und lernte hier ihren Ehemann kennen. Die Hochzeit allerdings war für sie auch mit vielen Entbehrungen verbunden. „Wir wurden damals schier zum Heiraten gezwungen“, erzählt Margrit Büchler von einer Lebenswirklichkeit, die heute nur noch schwer vorstellbar ist. So musste sie 1953 ihre Anstellung im Service aufgeben und mit ihrem Mann nach Näfels zum Schwiegervater ziehen. „Ich hätte gerne noch weiter gearbeitet, aber das war dann nicht mehr möglich“, erzählt sie. Mit dem Verdienst ihres Mannes bei der Eternit konnte die Familie zudem keine grossen Sprünge machen. „Oft hatten wir nicht mal genug Geld, um ein Brot zu kaufen“, blickt sie zurück.
In Näfels fühlte sie sich nicht nur allein, sondern musste den nächsten Schicksalsschlag erdulden. Ihr erstes Kind verstarb nach nur drei Tagen. „Das ist für mich der schlimmste Schicksalsschlag gewesen. 1955 ist dann meine Tochter Margrit zur Welt gekommen und 1958 mein Sohn Christian“, berichtet sie.
Heute kann sie nicht nur berichten, wie glücklich sie über ihre Kinder ist, mit denen sie ein sehr gutes Verhältnis hat und die sie regelmässig besuchen. Auch erfreut sie sich an zwei Enkeln und inzwischen zwei Urenkeln. Dennoch hat sie die Erinnerung an ihr erstes Kind immer in ihrem Herzen getragen und oft an dessen Grab Trost gesucht.
„Es geht immer weiter“
Eine deutliche Verbesserung trat für sie erst mit dem Umzug nach Weesen ein. Während die Familie zuvor weder Telefon, noch Radio oder gar Fernsehen hatte, freute sie sich hier schon über ein Badezimmer. „Das habe ich am meisten geschätzt. Und später dann natürlich auch die Waschmaschine.“ So kann sie die Veränderungen, welche die Jahrzehnte mit sich brachten, nur begrüssen. „Früher wurde man nicht einmal aufgeklärt, musste machen, was andere verlangten, hatte kaum Geld zur Verfügung und ist auch nie in die Ferien gekommen. Aber ich konnte in den 1970er Jahren einmal nach Teneriffa reisen – das war wunderschön“, erinnert sie sich. „Heute ist da vieles leichter, aber es gibt andere Probleme und die Frauen sind trotzdem nicht glücklich.“
Nachdem Margrit Büchler 2014 schwer erkrankte, hatte sie das Glück, einen Platz in ihrem Wunsch-Pflegeheim in Weesen zu bekommen und ist damit hoch zufrieden. Hier hat sie nicht nur alte Bekannte an ihrer Seite, die sie unter anderem aus ihrem aktiven Vereinslebensleben bei den Samaritern und im Turnverein Weesen kennt. „Es gefällt mir einfach prima, die Pflege ist sehr gut, es ist immer jemand da und wir haben hier die beste Küche“, schwärmt sie. „Jetzt geniesse ich das Leben und blühe wieder auf – auch gesundheitlich.“ Als lustiger Mensch, der einen guten Spass zu schätzen weiss, geniesst sie hier die geselligen Anlässe. Und so formuliert sie auch ihren Rat an die heutige Jugend: „Es geht immer wieder vorwärts, auch wenn man schwere Zeiten hat, gibt es immer wieder Lichtblicke. Man darf seinen Humor nicht verlieren, denn wenn man verzagt, dann kommt es am Ende noch schlimmer.“