Rapperswil-Jona. – Die österreichische Autorin, Kabarettistin und Sexualpädagogin Barbara Balldini begeisterte am Samstag in Rapperswil-Jona mit einem Aufklärungsprogramm der besonderen Art. Dieses spielte sie erstmals in der Schweiz und lockte damit über 360 Besucherinnen und Besucher ins Kreuz – manche davon echte Fans, die zum wiederholten Male Balldinis humorvollen Sextalk miterleben wollten.
Fünf Frauen, ein Thema
Im Laufe des Abends lädt sich Balldini als Moderatorin im kleinen Schwarzen und mit mangelndem technischen Sachverstand für Disco-Vibratoren fünf Gäste ein, deren Verkörperung sie gleich selbst übernimmt. Diese nehmen kein Blatt vor den Mund und talken wie in Lilo Wanders Zeiten von Liebe, Lust und Leidenschaft. So gibt es Tipps, Tricks und Erfahrungsschätze von den „Sexpertinnen“ aus den verschiedensten Gebieten, die dabei manche Illusion schonungslos vernichten oder wichtige Hinweise für beiderlei Geschlecht im Gepäck haben.
Da ist zum einen Uschi von der Sexhotline, die nicht nur den Dirty-Talk im Homeoffice beherrscht, sondern auch über gebrauchte Höschen zu berichten und diese zu präparieren weiss, während Darstellerin Yvonne so einiges Pikantes und Interessantes zum Pornodreh beizusteuern hat. Dieser sei übrigens mit mehr Frust als Lust verbunden und vor allem jede Menge Stress.
Überraschender ist da die heimliche Leidenschaft der Rosi von der Bäckerei, die nicht nur eine Sexspielzeugsammlung als „kleine Selbsthilfegruppe“ ihr Eigen nennt, sondern auch über Seitensprungbörsen so einiges erzählen kann. Anal-Bella wiederum rückt der Tabuzone des Hinterteils zu Leibe, während Gertud vom Tantrainstitut die sinnlich esoterische Seite des Liebesspiels mit einem umgeschnallten Stoffphallus demonstriert.
Direkt und unverblümt
Was sich tabulos und stellenweise obszön anhört, war aber dennoch nicht schmuddelig. Balldini bewertete nicht, rief praktisch dazu auf, Scham und Schuldgefühle abzulegen und sich dem Thema frei und offen zu stellen. Dabei verliess sie mehr als einmal die Bühne, um den direkten Kontakt mit dem Publikum zu suchen. Dieses wurde im süssesten Fall mit Pralinés beschenkt, befragt oder als Assistent zum Schminkspiegel halten gleich auf die Bühne geholt.
Balladini, die mit Bestsellern wie „Besser Schlampe als gar kein Sex...“, „Nackte Halbwahrheiten ... auch Schlampen können weinen“ und „Einmal Schlampe, immer Schlampe“ nicht nur in den Bücherregalen für Furore zu sorgen versteht, macht da weiter, wo Oswalt Kolle und Co aufhörten. Ihr mittlerweile zweites Kabarettprogramm holt schonungslos und erfrischend offen die Sexualität auf die Bühne. Dabei sind die von ihr verkörperten Charaktere durchaus so liebevoll angelegt, dass man ihnen auch alte Gags verzeiht. „Mein erstes Programm war zwei Stunden Therapie, ohne dass man es merkt. Heute Abend werden wir gesellschaftskritischer“, kommentierte sie selbst.
Kurz gesagt, wer wissen will, wieso eine Salatgurke in jeden Haushalt gehört und gerne auch mal lacht, wenn es um Sexualität geht, der ist bei Balldini richtig aufgehoben. Wer aber Schwierigkeiten damit hat, wenn ohne jegliche Zurückhaltung über Intimitäten geredet und diese auch auf die Schippe genommen werden, der sollte sich für die Abendunterhaltung wahrscheinlich lieber ein anders Programm suchen. Denn für schwache Nerven und dezente Zurückhaltung, oder für Menschen, die überzeugt davon sind, dass Sexualität auch ein Stück weit vom Geheimnisvollen lebt, ist Balldini wirklich nichts.