Rapperswil-Jona. – Auf die Bühne gebracht wurde Julian Barnes 2011 mit dem Booker Price ausgezeichneter Roman „Vom Ende einer Geschichte“. Der britische Schriftsteller spürt in dieser Erzählung dem nach, was das Leben aus uns macht, und wir mit ihm. Symbolisch trefflich durch den Stundenschlag von Uhren gekennzeichnet, durfte das Publikum in der Alten Fabrik mit eintauchen in die Erinnerungen der Hauptfigur des Romans; vortrefflich dargestellt von Eric Rohner, der bis auf wenige Requisiten die gesamte Erzählung allein bestritt.
Selbstschutz und Wahrheit
Doch Erinnerungen können trügen. Ja manchmal müssen sie es sogar. Denn geschönte Erinnerungen erlauben es, besser mit der eigenen Vergangenheit zu leben und die persönliche Verantwortlichkeit für die Gestaltung der Zukunft abzulegen. Das erfährt der Protagonist Antony Webster am eigenen Leib, der im Alter eine Bilanz seines Lebens zieht. Sich selbst überhaupt nicht als Nostalgiker begreifend, veranlasst ihn eine überraschende Erbschaft dazu, den Blick in die Vergangenheit zu werfen und zu hinterfragen. Wie war das damals vor vierzig Jahren mit ihm, seinem bewunderten Schulkameraden Adrian und seiner ersten Freundin?
Denn die unerwartete Erbschaft kam von der Mutter eben dieser ersten Freundin, die ihm neben etwas Geld das Tagebuch seines damaligen und einst so bewunderten Schulfreundes Adrian vermachte. Denn mit Letzterem brach Webster, als Adrian mit eben diesem Mädchen zusammenkam, von dem sich Antony selbst erst kurze Zeit zuvor getrennt hatte. Als sich Adrian kurz darauf das Leben nimmt, geschieht dies scheinbar überlegt und besonnen, indem er das Geschenk des Lebens, um das er nicht gebeten habe, zurückweist. Denn so schreibt er es in seinem Abschiedsbrief.
Für Antony aber geht das Leben weiter und die Erinnerungen verblassen, bis ihn die Mitteilung der Erbschaft zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit veranlasst. Das Tagebuch, als für ihn elementarer Bestandteil dieser Erbschaft, sollte er zwar nicht erhalten. Durchaus aber einen kritischen Blick auf das eigene Leben, die eigene Geschichte – wie er sie anderen und vor allem sich selbst erzählt.
Hervorragendes Spiel
So wird Stück für Stück die heile Welt der Erinnerungen entblättert und die Wahrheit entblösst. Die Suche nach Sündenböcken wird durch individuelle Verantwortung abgelöst und offen hinterfragt, wo man sich selbst und andere täuscht. Sei es aus Selbstschutz oder einfach durch den Verlauf der Zeit. Sicher ist: Je länger das Leben andauert, desto weniger Menschen gibt es, die unsere Darstellung in Frage stellen.
Auf der Bühne füllte Eric Rohner die Figur des Antony Webster bestens aus, brachte sie dem Publikum näher und zog es mit hinein in diese essentielle Frage des Lebens und dem Umgang mit den so individuellen Facetten der Wirklichkeit. Der ausgebildete Pädagoge, Schauspieler, Sprecher und Musiker bestach dabei durch eine unaufgesetzte, lebensnahe Darstellung. Dem Fernsehpublikum aktuell auch als Heini Sutter, der Selbstmade Millionär aus der Swisslos-Werbung bekannt, stellte Rohner sein Können bereits in zahlreichen Theater- und Filmrollen unter Beweis. Mit der Inszenierung „Vom Ende einer Geschichte“ begeisterte er in einer philosophisch tiefgründig Stück, das zum Nachdenken anregte.