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Anonyme Selbsthilfe seit 20 Jahren

Seit nunmehr 20 Jahren findet in Wattwil jeden Montagabend von 19.30 Uhr bis 21.00 Uhr, gleich ob Feiertag oder normaler Werktag, im katholischen Pfarreiheim das Meeting der Anonymen Alkoholiker (AA) statt.

Wattwil. Zu diesem Anlass wurde zum zweiten Mal in der Wattwiler Gruppengeschichte am vergangenen Montagabend ein so genanntes «offenes Meeting» abgehalten, zu dem nicht nur Betroffene, sondern auch Interessierte eingeladen waren. Diese erhielten so einen Einblick, wie ein Meeting abläuft und die Gelegenheit, Fragen zu stellen.

Freiwillig und anonym
An diesem Montagabend sollte dies aber nicht das einzige Jubiläum sein, das es zu feiern galt. Ebenso konnten zwei Gruppenmitglieder ihren «zweiten Geburtstag im Leben» feiern, also den Tag, an dem sie in ein nüchternes Leben gestartet sind. Neben einem Ein-Jahr-Jubiläum machten bei einem anderen Gruppenmitglied stattliche 25 Jahren deutlich, dass diese lebenslange Herausforderung zu bewältigen ist. «Denn Alkoholismus ist eine unheilbare Krankheit», erklärt Gunar*, Mitglied der Wattwiler Gruppe. Aber man kann lernen, Tag für Tag nüchtern zu bleiben. Nötig ist aber die Erkenntnis, ein Problem zu haben und der Wille, an diesem zu arbeiten. Speziell dafür haben die AA, welche als weltumspannende „Mutter aller Selbsthilfegruppen“ in diesem Jahr das 80-jährige Bestehen feiert, ein viel adaptiertes 12-Punkte-Programm entwickelt.

Eines ist dabei aber unverzichtbar: Die Eigeninitiative und der Wille zum Aufhören. «Irgendwann merkt man, dass einem niemand so helfen kann, wie man selbst», fasst Elisabeth*, Gründungsmitglied der Wattwiler Gruppe, zusammen. Die regelmässige Teilnahme an den Meetings ist für fast alle eine zentrale Stütze. Wie der Name ausdrücklich betont, ist die Anonymität ein entscheidender Faktor der AA. So bleibt alles, was man bei einem Meeting hört und wen man sieht dort. Denn insbesondere für Neulinge ist die Anonymität sehr wichtig.

«Nein ist ein ganzer Satz»
Innerhalb der Gruppe gilt das Prinzip der Freiwilligkeit. «Aber man kann vor allem dann profitieren, wenn man selbst die Chance nutzt, sich mitzuteilen», so Elisabeth. Diese Freiheit drückt sich auch in mancherlei anderer Hinsicht aus. So interessieren in der Gruppe weder Alter, noch Familienstand, Nationalität, Konfession, Beruf oder der Nachname. Alle sind als Betroffene dort, die das gleiche Problem miteinander teilen, sich darüber austauschen und innerhalb der Gruppe einen Umgang mit ihren Schwierigkeiten im Alltag finden. So beispielsweise durch die Erkenntnis, dass man sich nicht erklären muss, wenn man ein alkoholisches Getränk ablehnt. «Nein ist ein ganzer Satz», hält Elisabeth fest.

Als besonders wertvoll ist dabei die Tatsache einzustufen, dass immer jemand zu den Meetings anwesend ist, dass man sich auch ausserhalb derer miteinander austauschen und Beistand erbitten kann und ein 24-Stunden-Nottelefon zur Verfügung steht. Dabei tragen sich die AA ausschliesslich selbst, verzichten bewusst auf Unterstützung, womit eine wichtige Unabhängigkeit gewahrt bleibt.

Mehr Frauen als Männer
«Dass in Wattwil eine Gruppe gegründet wurde, steht nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Arbeit der Alkoholkurzzeittherapie PSA am Spital Wattwil», erklärt Elisabeth. Anfänglich waren es eine Handvoll Personen, welche die Gruppe institutionalisierten und am 3. März 1995 das erste AA-Meeting abhielten. Unterscheiden sich die Wattwiler prinzipiell in keiner Weise von anderen Gruppen, so ist hier doch eines anders, als im Rest der Schweiz: «Hier haben wir von Beginn an immer mehr Frauen als Männer in der Gruppe gehabt», erklärt Gunar.

Dies ist noch heute so, doch hat sich auch etwas verändert, wie er ebenfalls beobachten konnte: «Das reine Alkoholproblem gibt es immer weniger. Bei den meisten Betroffenen besteht eine Mehrfachsucht, also ein Zusammenspiel von Alkoholismus und beispielsweise Spielsucht, Medikamentenabhängigkeit oder ähnliches. Die Bandbreite der Süchte ist grösser geworden.» Eines ist aber gleich: Die Schwierigkeiten in den unterschiedlichsten Lebenssituationen.

Allen Gruppen gemein ist zudem eine hohe Hemmschwelle für Neulinge. Dieses Umstandes  sind sich die Gruppenmitglieder bewusst, weshalb sie nur jedem empfehlen können, einfach einmal vorbeizukommen. «Es ist die beste Erfahrung, die man machen kann», betont Elisabeth.

 

*Namen geändert