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Regionaler Wein ohne Chemie

In Lichtenteig hat seit Mitte März eine neue Idee zur Belebung der Gemeinde ein institutionelles Zuhause. Mit der Gründung der neuen Weinbaugenossenschaft soll hier künftig eigener Wein angebaut und gekeltert, sowie neuer Erholungsraum und Freizeitmöglichkeiten geschaffen werden.

(Bild: zVg)

Lichtensteig. Das Toggenburg als Weinanbaugebiet? Was auf den ersten Blick vielleicht stutzig macht und die Frage aufwirft, ob das funktionieren kann, soll noch in diesem Jahr bewiesen werden. Die Weinbaugenossenschaft Lichtensteig will getreu dem Gedanken einer pionierhaften Gestaltung des öffentlichen Raums am Fusse des Städtlis einen eigenen Weinberg betreiben. Der oberhalb der Floozwiese gelegene Weingarten soll künftig als Erholungsort am Rande des Städtlis dienen. Eine Besonderheit ist es, dass es noch nie Reben am Floozhang gegeben hat. „Es gab nie Wein im Toggenburg. So ist St.Gallen diesbezüglich irisch-keltisch geprägt“, so Önologe und Vorstandsmitglied der Weinbaugenossenschaft Andreas Fischer. „Wir möchten beweisen, dass es sogar möglich ist ohne Chemie Reben auf dieser Höhenlage anzubauen“, erklärt Susanna Stockhammer, Vorstandsmitglied. Um dies gewährleisten zu können werden spezielle pilzwiderstandsfähige Trauben gewählt. 

Vieles in Planung
Mit Veranstaltungen und der Möglichkeit zur Mitarbeit beim Rebbau, will man ein spassiges und erholsames Gemeinschaftsprojekt starten. „Geplant ist es, den Wein auch hier zu keltern“, so Susanna Stockhammer. „Doch wird das noch nicht in den nächsten zwei Jahren geschehen.“ Daneben wird es Kurse rund um den Weinbau geben. Geplant sind auch Naturkurse für Kinder, bei denen die Biodiversität im Rebberg untersucht wird. „Wir werden eine möglichste grosse Biodiversität anstreben, in der einheimische Tiere sich neben den Reben wohl fühlen sollen“, erklärt Susanna Stockhammer. Weiterhin soll es Kurse für die Degustation, Keltern und Mosten, aber auch schmackhaftes Gastgebertum und Kochen geben. Im Mittelpunkt der Tätigkeiten der Genossenschaft stehen aber der Anbau, die Verarbeitung, die Kelterung und der Vertrieb eigener Weine. Dabei wird vor allem der naturnahe Umgang mit den Ressourcen in den Vordergrund gerückt.

Ausstrahlungskraft
„Das Ziel ist es, die Erde im Dialog mit der Natur zu kultivieren, zu pflegen, gesunde Nahrung zu produzieren und Schönheit zu schaffen“, erklärt die Genossenschaftspräsidentin Julia Leijola. Dabei hofft man bereits jetzt auf eine Ausstrahlungskraft des Projektes und weiterer Rebberge im mittleren Toggenburg. „Wenn sich das bewährt, könnten durchaus noch andere steile Hänge in Rebberge umfunktioniert werden“, hofft auch Susanna Stockhammer. Ausserdem können Leute, die kein eigenes Land besitzen ihren Traum vom eigenen Wein am Floozhang verwirklichen.

Die Idee stösst bereits auf Begeisterung. Neben den sieben Amtsträgern im Vorstand zählt die Weinbaugenossenschaft schon jetzt 22 Mitglieder. Ab dem fünften Jahr soll der Ertrag aus dem Wein die laufenden Kosten im Weinkeller decken. Die jetzt nötigen Finanzen für dieses Vorhaben generiert die Genossenschaft zum einen durch die Zeichnung von Anteilsscheinen. Diese können zu 300 Franken das Stück bezogen werden. Zum anderen unterstützt die öffentliche Hand das Projekt mit Fördergeldern. Die Gemeinde sah in der Nutzung des Hanges eine interessante Alternative zur bisherigen Verwendung, mit hohem Gewinn für die heimische Bevölkerung. „Die Vorarbeit wurde von der Gruppe blühendes Lichtensteig geleistet, die schon über zehn Jahre in der Gemeinde aktiv ist“, berichtet Andreas Fischer. Als Andreas Fischer und Susanna Stockhammer der Gruppe beitraten nahm die Idee zu einem Weinberg Gestalt an und konnten damit schnell die Unterstützung der Gemeinde finden. Der erste Wein Die Arbeiten am Weinberg im Flooz sollten eigentlich schon bald beginnen, doch gilt es nun zunächst, die ersten Startschwierigkeiten zu überwinden. „Die Idee war, im Mai anzufangen. Aufgrund eines Erdrutsches haben wir aber entdeckt, dass es ein Stromkabel im Hang gibt, welches dies verhindert. Wir hatten zwar schon eine Baubewilligung erhalten, aber die Gemeinde hatte keine Kenntnis von dem quer im Hang verlaufenden Kabel. Dies wirft uns nun etwas zurück, da das Kabel zunächst eventuell verlegt werden muss“, so Julia Leijola. Wann mit dem ersten eigenen Wein gerechnet werden kann ist eben von vielen Faktoren abhängig. „Insgeheim erhoffe ich mir, dass wir schon im nächsten Jahr das erste Fässli füllen können“, zeigt sich der Oenologe im Team, Andreas Fischer, optimistisch. Für diese Grössenordnung bräuchte man 300 kg Trauben. Sollte es aber im nächsten Jahr nicht klappen bleibt man zuversichtlich: „Ganz bestimmt aber ist es übernächstes Jahr soweit“, so Andreas Fischer.

„Revitalisierung ist oberstes Ziel“

Welchen Bezug haben Sie zum Thema Wein und Weinbau?
   Eigentlich wollte ich das Projekt in erster Linie als Beobachterin begleiten, da ich derzeit gemeinsam mit einem Kollegen an einer anthropologische Studie über Wein und Nachhaltigkeit abereite. Ich war völlig überrascht, als mich die anderen Mitglieder gefragt haben, ob ich als Präsidentin zur Verfügung stehen würde. Am Anfang wollte ich nicht, da ich ein Tal weiter, im Neckertal, wohne. Jetzt verstehe ich aber, dass unser Team so am besten funktioniert.

Und was möchten Sie persönlich als Präsidentin der Weinbaugenossenschaft erreichen?
   Meine Aufgabe ist es, die Vorstandsmitglieder zu unterstützen, sodass sie ihre Fachkenntnisse im Rahmen der Weinbaugenossenschaft anwenden können. Nur so wird die Weinbaugenossenschaft Lichtensteig genauso erfolgreich sein, wie ich es für möglich halte.

Was ist aus Ihrer Sicht das wichtigste Ziel, das die Weinbaugenossenschaft mit dem Projekt verfolgt?    Meiner Meinung nach ist das oberste Ziel die Revitalisierung des Ortes. Zudem soll der geplante Weingarten dazu beitragen, die Menschen zusammen zu bringen - Wein ist der perfekten Partner für so einen Ziel.